Ernst Pöppel

Neuroscientist

IL N’Y A PAS D’AVENIR…

Das Schiff am Äquator; das flache Meer; nur den
Horizont sehen, die leicht gewölbte Linie
zwischen Wasser und Himmel.

Der Schwarzwald bei Freiburg; der leuchtende
Nachthimmel; nur Sterne sehen und
sich geborgen fühlen.

Der Strand in Florida; eine Schar spielender Rochen;
dies mit der Tochter sehen.

Der Krieg; Tiere liegen tot auf dem Hof herum;
Soldaten haben den Sieg gefeiert.

Die Eisenbahn zwischen Stettin und Lübeck;
Tote werden hastig aus dem Wagon
geschleppt; Vertreibung.

Die Rückkehr; die Heimat am Geruch erkennen;
dreißig Jahre sind vergangen.

Das Internat; nachts eine Wand hochklettern,
um bei ihr zu sein.

Der Bunker von Andechs; allein sein, niemanden
sprechen können, nicht mehr in der Zeit sein;
das Rasen unverbundener Gedanken.

Moskau; mit einem russischen Freund um den Kreml
gehen, und um den verlorenen Vater weinen.

Caracas; eine Frau zu lieben beginnen, ohne sich
selbst zu verlieren.

Grand Canyon; mit dem Sohn in die Tiefe steigen,
und am selben Tag wieder herauf, und
diesmal genug Wasser dabei zu haben.

Tokyo; mit ihr am Kaiserpalast entlang gehen.

Der Garten; ein Blatt betrachten und es sehen.

Der Tisch; eine Birne essen und an einen anderen
Ort versetzt sein.

Montreux; die vom Glück überwältigte Tochter,
mit leichter Hand den Schleier fassend.

Der Wald bei St. Petersburg; mit einem Freund in die
Wildnis gehen und an einen Fluß kommen.

Das Labor; über Meßwerte nachdenken und
plötzlich eine neue Struktur erkennen,
eine Entdeckung machen.

Der Schreibtisch; beim Lesen platonischer Dialoge
erkennen, das sie mit mir zu tun haben.

Irgendwo; Goethe’s Faust, den ersten Teil, ganz
auswendig können.

Ernst Pöppel

Pöppel studierte Psychologie und Biologie an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg. Er habilitierte sich schließlich in Sinnesphysiologie an der Ludwig-Maximilians-Universität München und in Psychologie an der Leopold-Franzens-Universität Innsbruck.

Von 1976 bis 2008 war Pöppel Professor für Medizinische Psychologie an der Ludwig-Maximilians-Universität München und von 1991 bis 1992 erster Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Psychologie. Seit 1993 ist er Mitglied der Leopoldina. 2005 wurde er für seine Leistungen mit der Bayerischen Verfassungsmedaille in Silber ausgezeichnet. 2015 wurde er in die Academia Europaea gewählt.

 

Quelle: Wikipedia